Der deutsche Immobilienmarkt ist in den letzten Jahren stark gestiegen, aber es gibt Anzeichen, dass sich die Bedingungen für Bauherren, Käufer und Mieter im Jahr 2022 ändern werden. Durch die erstmalige Anhebung der Leitzinsen seit elf Jahren durch die Europäische Zentralbank (EZB) und die gestiegenen Energiepreise hat sich bereits die Finanzierung von Bau- und Kaufvorhaben verteuert und die Kaufkraft vieler Haushalte ist gesunken. Banken werden auch restriktiver in ihrer Kreditvergabe. Trotzdem sind die jüngsten Entwicklungen bei Preisen und Mieten auf dem deutschen Immobilienmarkt noch nicht angekommen und die Preise für Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen sind in diesem Jahr um durchschnittlich 11% gestiegen. Die Preise für Bauland haben sich um 12% erhöht. Die Mieten haben in den letzten zehn Jahren um insgesamt 56% zugenommen, im Jahr 2022 lag der Anstieg bei 4%. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass sich diese Preistrends umkehren könnten, da die Angebotspreise im dritten Quartal 2022 bereits stagniert haben.
Es gibt Bedenken, dass die Preissteigerungen bei Immobilientransaktionen in Deutschland nicht von fundamentalen Marktfaktoren gestützt werden, und die EZB und die Bundesbank haben vor spekulativen Übertreibungen bei der Preisbildung gewarnt. Diese Sorgen werden durch die Tatsache unterstützt, dass die Preise für Wohnimmobilien im Durchschnitt dem 28-fachen Jahresmietertrag entsprechen, was zuletzt Mitte der 1990er Jahre beobachtet wurde, als es zu einem Höhepunkt im letzten Wohnungsmarktzyklus und anschließenden Jahrzehnt sinkender oder stagnierender Immobilienpreise kam. Es ist schwierig, Preisübertreibungen im Voraus genau zu identifizieren, aber das DIW Berlin analysiert regelmäßig seit 2014 die Preisentwicklung in den großen Städten Deutschlands und prüft anhand von statistischen Verfahren, ob es zu Preisübertreibungen kommt. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden aktualisiert und um die Betrachtung weiterer Marktsegmente ergänzt, wobei ein Datensatz des Immobilienverbandes IVD über Miet- und Kaufpreise für Wohnimmobilien verwendet wird. Mithilfe statistischer Tests wird geprüft, ob es auf regionalen Immobilienmärkten Preisblasen gibt.
Die Finanzierungsbedingungen sind schwieriger
Es reicht nicht aus, die Preisentwicklung von Immobilien anhand von Ausschlägen in den Preisreihen zu bewerten, um festzustellen, ob sie für die gesamte Wirtschaft relevant sind. Ein weiterer Indikator ist die Erschwinglichkeit von Immobilien, die anhand des Verhältnisses von Immobilienpreisen zu den verfügbaren Einkommen gemessen wird. Langfristig sollten sich die Preise von Immobilien entsprechend dem verfügbaren Einkommen entwickeln. In Deutschland waren Immobilien lange Zeit gemessen an diesem Indikator günstig und das Verhältnis liegt auch derzeit noch unter dem Niveau von Anfang der 1980er Jahre. Allerdings ist die Erschwinglichkeit von Immobilien in Deutschland im Vergleich zu anderen großen Volkswirtschaften wie Großbritannien und Spanien mittlerweile geringer.
Nur in den USA ist die Belastung durch hohe Kreditraten ähnlich hoch wie in Deutschland. Allerdings haben sich die Finanzierungsbedingungen für Haushalte in den USA in den letzten Monaten stark verschlechtert, da die Zinsen für Hypotheken im laufenden Jahr um 4% gestiegen sind und jetzt bei etwa 7% liegen, was einem ähnlich hohen Niveau wie Mitte der 2000er Jahre entspricht. Seit Juli 2022 sinken die Immobilienpreise in den USA, gemessen am S&P-Case-Shiller-Index. Es ist möglich, dass eine ähnliche Zinsentwicklung im Euroraum und Deutschland bevorsteht und Preiskorrekturen am heimischen Immobilienmarkt auslösen könnte.
Die Zinsen für Wohnungsbaukredite in Deutschland sind bereits um etwa 2% gestiegen. Dieser Anstieg hat sich deutlich auf die Neukreditvergabe ausgewirkt, deren Volumen sich etwa halbiert hat. Da die EZB dem Zinsanhebungszyklus der amerikanischen Notenbank folgt, ist auch mit weiteren Zinssteigerungen zu rechnen, die wiederum die Kreditvergabe belasten könnten.
Nicht nur die Neukreditvergabe sinkt, sondern auch der Anteil der Kredite mit einer Zinsbindung von mehr als 5 Jahren geht am aktuellen Rand stark zurück, allein in diesem Jahr um etwa 1%. Solche Kredite werden in der Regel in Zeiten niedriger Zinsen abgeschlossen und dienen derzeit noch zur Finanzierung. Allerdings führt der relative Rückgang von Krediten mit einer langfristigen Zinsbindung zusammen mit steigenden Zinsen zu mehr Risiken für private Haushalte in der Zukunft. Der aktuelle Rückgang der zinsgebundenen Kredite deutet auch darauf hin, dass die Banken mit weiter steigenden Zinsen und einer erhöhten Unsicherheit über die Zinsentwicklung rechnen.
Eine hohe Fremdfinanzierung von Immobilien ist in der Regel mit einem zusätzlichen Risiko verbunden. Von 2017 bis Ende 2021 gab es eine deutliche Ausweitung des Neugeschäfts bei Wohnungsbaukrediten. Das Kreditvolumen stieg von 6,5% im Jahr 2018 auf 8,9% im Jahr 2021 im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung. Seit Anfang 2022 hat sich diese Entwicklung jedoch umgekehrt und es wurden merklich weniger Wohnungsbaukredite vergeben, was die Refinanzierung erschwert. Aufgrund dieser Beobachtungen scheint das Risiko einer Korrektur von spekulativen Preisentwicklungen gestiegen zu sein.
Trotzdem scheinen die von der Finanzierungsseite ausgehenden Risiken aufgrund der oft noch langen Zinsbindung überschaubar zu sein, insbesondere da keine sich ausbreitende Überschuldung von privaten Haushalten in Sicht ist. Es gibt auch keine Anzeichen dafür, dass der Beleihungsauslauf – der Anteil des Fremdkapitals, das für die Finanzierung einer Immobilie verwendet wird – deutlich gestiegen wäre.